Der Frühling macht sich in der Provence breit. Die Farbe, die jetzt die Landschaft beherrscht, ist ein sattes Gelb: das Gelb der Rapsfelder. Auch die Kirsch- und Aprikosenbäume stehen in voller weiß- bis zartrosa Blüte. An den Weinstöcken zeigen sich die ersten zarten Blätter. Die Temperaturen steigen. Bienen und andere Insekten schwirren um die Blütenstände herum. Aufatmen, durchatmen, sich auf den kommenden Sommer freuen. Die silbrig glänzenden Blätter der Olivenbäume rascheln leise im Wind. Die Ernte ist längst eingefahren, die Früchte zu bestem Olivenöl verarbeitet. Wir freuen uns auf die erste Verkostung des neuen Öls, das Gold der Provence. Einfach köstlich. Und doch ist unsere Begeisterung leicht getrübt.
Seit nunmehr knapp 30 Jahren bereise ich die Provence und habe viele Menschen kennengelernt, die in der Landwirtschaft arbeiten – mit Leidenschaft und Hingabe, bis heute. Einige aber haben auch aufgegeben, weil Nachfolger fehlten oder die Erträge zu gering wurden. Einfacher wird die Lage für Bauern und Winzer im Midi nicht. Sie stehen vor einer immensen Herausforderung: dem Klimawandel. Darauf müssen sich auch die Olivenölproduzenten einstellen, denn selbst der eigentlich genügsame Ölbaum – oder Strauch – leidet inzwischen unter den steigenden Temperaturen und anhaltenden Dürreperioden, besonders in Spanien, aber auch in Griechenland und anderen Ländern Südeuropas. In Südfrankreich geht es den Bäumen noch recht gut.
Regional unterschiedliche Erträge
Mitte Oktober begann im Midi die Olivenernte – und sie startet immer früher. Die Bedingungen während des Reifeprozesses der Früchte waren zufriedenstellend bis gut: die Temperaturen mild, kaum Regen und auch der gefürchtete Mistral, der kalte Wind aus dem Norden, der das Rhône-Tal hinunter fegt, zeigte sich gnädig. Der vergangene Sommer präsentierte sich im Midi von seiner schmeichelhaften Seite. Zum Zeitpunkt der Ernte schließlich waren die Oliven in gutem Zustand.
Frankreich ist bekanntlich ein Land mit einer sehr kleinen Olivenölproduktion. Im Vergleich zum weltweit größten Produzenten Spanien, der im aktuellen Erntejahr 2023/2024 ca. 750.000 Tonnen Oliven einbrachte, liegt die Menge in Frankreich bei 4.400 Tonnen. Das ist für die französischen Olivenbauern insgesamt ein sehr gutes Ergebnis, doch fiel die Ernte regional sehr unterschiedlich aus. Fachleute bescheinigen dem neuen Öl eine gute Qualität und intensive Aromen. Die Franzosen können also zufrieden sein, denn der Ertrag ist besser als in 2022 – allerdings weit vom Rekordergebnis von 6.200 Tonnen in 2017 entfernt. Die Produktion von Olivenöl ist in Frankreich zwar klein, aber dafür sehr fein. Massenware für zum Beispiel deutsche Supermärkte gibt es so gut wie nicht. Die hohe Qualität des französischen Olivenöls hatte schon immer ihren Preis. In diesem Jahr wird er weiter steigen.
Große Probleme in Spanien
In Spanien spitzt sich die Lage für die Olivenbauern hingegen drastisch zu. Das Land leidet unter anhaltenden Dürreperioden und dem damit einhergehenden Wassermangel. Lang andauernde extrem hohe Temperaturen haben den Früchten im vergangenen Sommer zugesetzt. So liegt die Erntemenge laut dem online-Fachmagazin für Olivenöl Olive Oil Times zum zweiten Mal in Folge unter der Eine-Million-Tonnen-Marke. Die Preise sind seit Jahresbeginn um mehr als 40 Prozent gestiegen. Der zunehmend schwierige Anbau und schrumpfende Ernten treiben die Preise weiter in die Höhe. Olivenöl wird zu einem Luxusgut – nicht nur im Süden Europas.
Vor rund drei Jahrtausenden brachten die alten Griechen den Ölbaum nach Südfrankreich. Längst ist er ein Wahrzeichen der Provence: nicht nur in Bezug auf das Landschaftsbild, sondern auch für die provenzalische Küche. Eine Küche, die von vielen Feinschmeckern als die beste in Europa bezeichnet wird. Hochwertige Grundprodukte im Rhythmus der Jahreszeiten und die reiche Auswahl an aromatischen Kräutern werden mit einem geschmacksintensiven Olivenöl zu wahren Gaumenfreuden. Klima und Bodenverhältnisse sind immer noch beste Voraussetzungen, um Oliven von hoher Güteklasse zu ernten wie die Sorten Salonenque, Aglandau, Grossane und Verdale oder die exzellenten schwarzen Früchte aus Nyons, die Tanche.
Wasserressourcen verringern sich
Doch der robuste Olivenbaum mit seinen knorrigen Ästen leidet nun auch unter dem Klimawandel. Durch anhaltende Dürren in den Mittelmeerländern, seiner Heimat, bekommt er zu wenig Wasser. Dadurch bringt der Baum weniger Früchte mit schlechterer Qualität und weniger Saft hervor. Wissenschaftler und Agrarexperten forschen längst an neuen Methoden des Anbaus von gesunden Nahrungsmitteln, zu denen Oliven zählen. Vor allem müssen moderne, effiziente und nachhaltige Bewässerungsstrategien entwickelt werden, denn die Wasserressourcen verringern sich. Hitze, Trockenheit, kaum mehr Schnee in den Alpen sowie Starkregen, der ganze Landschaften wegspült, sind spürbare Konsequenzen unseres nachlässigen Umgangs mit der Umwelt. Bleibt zu hoffen, dass der Olivenbaum dem Klimawandel trotzen wird.
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