Am Ufer der Rhône: Auch hier stellte Vincent van Gogh seine Staffelei auf. Foto: Office Tourisme Arles

Vincent van Gogh: die tragische Nacht in Arles

25. Februar 2023 | 0 Kommentare

Der niederländische Meister hat der Provence einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Doch sein kurzer Aufenthalt im Licht des Südens endete im Gelben Haus tragisch. Die Carrières des Lumières würdigen van Gogh in der aktuellen Multimedia-Schau in Les Baux.
Selbstbildnis.
Foto: OT Arles/
M. Tromp

Sonne und Sonnenblumen gleich Vincent van Gogh. Das Licht des Südens, die Heiterkeit und die Leichtigkeit des Lebens strahlen aus den Bildern des Niederländers. Die Landschaft zieht den Betrachter magisch an, lässt ihn versinken im wogenden Feld hunderter Sonnenblumen. Wärme macht sich im Körper breit. „Das ist die Sonne, die niemals in uns eingedrungen ist, uns andere aus dem Norden“, ist in einem der Briefe von van Gogh zu lesen.

Der Maler hat der Provence einen unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Und dabei war er nur kurz dort, von Februar 1888 bis Mai 1890. Unweigerlich stoßen wir zwischen Avignon und Marseille auf seine Spuren, finden die Motive seiner wunderbaren Gemälde. Gemälde, die zu Lebzeiten van Goghs kaum Beachtung fanden und heute unbezahlbar sind. In den Bildern spiegelt sich die Freude am Leben, doch das des großen Malers war alles andere als heiter. Mit dem Umzug von Paris nach Arles wollte er der Tristesse des Nordens und vielleicht seines Lebens entfliehen, vergebens.

Die Geschichte mit dem Ohr

Es war am 23. Dezember 1888 als sich Vincent van Gogh verstümmelte. Die Historiker des Van-Gogh-Museums in Amsterdam gehen davon aus, dass der verstörte Maler seinen Kollegen Paul Gauguin mit einem Rasiermesser bedrohte, sich mit dem selben Messer Teile seines linken Ohres abschnitt, sie in Zeitungspapier wickelte und seiner Lieblingsprostituierten brachte. Abgespielt hat sich diese letztlich bis heute nicht endgültig geklärte Szene im Gelben Haus in Arles, wo van Gogh in seinem „Atelier des Südens“ eine Künstler-Kolonie gründen wollte. Doch lediglich Paul Gauguin (1848-1903), den er im Jahr zuvor in Paris kennen gelernt hatte, folgte Ende Oktober 1888 dem Ruf. Nicht ganz freiwillig: Denn van Goghs Bruder Theo, erfolgreicher Kunsthändler, finanzierte die Reise des verarmten Gauguin und zahlte ihm eine monatliche Unterstützung.

Dort stand einst das Gelbe Haus.
Foto: Office Tourisme Arles

Freunde wurden die beiden Maler während der gut zwei Monate, die sie im Gelben Haus zusammenlebten und das Atelier teilten, nicht. Gleichwohl aber beeinflussten sie sich künstlerisch trotz völlig unterschiedlicher Auffassungen. Van Gogh malte draußen das, was er sah, Gauguin aus der Erinnerung und mit seiner Vorstellungskraft im Atelier. Als die Spannungen zwischen beiden zu groß wurden, und Gauguin seine Abreise ankündigte – seinem Mäzen Theo van Gogh hatte er geschrieben, dass sie wegen der unterschiedlichen Temperamente nicht nebeneinander leben könnten – eskalierte die Situation.

Über das, was in dieser verhängnisvollen Nacht des 23. Dezember 1888 in Arles geschah, gibt es weitere Spekulationen. So soll Gauguin im Streit van Gogh das Ohr abgetrennt haben. Der britische Van-Gogh-Experte Martin Bailey vermutet gar, dass die Verlobung des Bruders zur Selbstverstümmelung geführt habe, weil er um die finanzielle Unterstützung Theos fürchtete. Viele Faktoren kommen sicherlich zusammen. Schließlich hat sich Vincent van Gogh, krank, dem Absinth verfallen, selbst in die Nervenheilanstalt in St. Rémy eingewiesen, wo er u.a. die berühmte „Sternennacht“ malte. Im Mai 1890 zog er wieder in die Nähe von Paris, wo er im Juli nach einer Schussverletzung – ebenfalls nicht eindeutig geklärt – mit nur 37 Jahren starb.

Die Nervenheilanstalt und Abtei Saint-Paul-de-Mausole in St. Rémy.

Auf den Spuren der Maler in Arles

In der Altstadt der antiken Stadt Arles, dort wo Le Rhône die letzten Kilometer bis zum Mittelmeer antritt, suchen Reisende den Schauplatz der tragischen Nacht von Vincent van Gogh vergeblich. Das Gelbe Haus an der 2 Place Lamartine gibt es nicht mehr. In Juni 1944 wurde es bei einem Bombenangriff so stark zerstört, dass es letztlich abgerissen werden musste. Erhalten geblieben ist es trotzdem: als Ölgemälde auf Leinwand, gemalt von van Gogh selbst. Zu sehen im Van-Gogh-Museum Amsterdam. Auch Paul Signac (1863-1935) verewigte „The House of Van Gogh“ 1932 als Aquarell. In Arles erinnert am Ort des Geschehens eine Schautafel an das Haus.

Le Café van Gogh. Foto: Office Tourisme Arles

Arles besitzt kein Werk von van Gogh. Die Gemälde befinden sich weltweit in den berühmten Museen. Dennoch bewahrt die Stadt das Andenken an den großen Künstler und hat eine Vincent-van-Gogh-Route ausgeschildert, die weiter ausgebaut werden soll. Etwa 300 Zeichnungen und Gemälde entstanden während seines Aufenthaltes in der Provence. Rund zwölf Orte, an denen der große Meister seine Staffelei aufgestellt hat, haben Historiker inzwischen gefunden, mit den Gemälden verglichen und sicher identifiziert. Nach dem Rundgang lohnt sich ein Aperitif im Le Café van Gogh am Place du Forum. Dort entstand das Gemälde „Terrasse du Café de soir“. Ein Spaziergang am Rhône-Ufer, dort wo der Niederländer häufig malte, beendet den Tag mit Vincent van Gogh in Arles.

Paul Gauguin hinterließ aus der gemeinsamen Zeit in Arles das Porträt „Van Gogh Sonnenblumen malend“ sowie die Bilder „Café le soir“ und „Weinlese in Arles“.

Carrières des Lumières in Les Baux-de-Provence

Wer in die Gemälde von Vincent van Gogh eintauchen möchte, kann dies seit 24. Februar in den Carrières des Lumières in Les Baux-de-Provence tun. Die aktuelle Multimedia-Schau trägt den Titel „Von Vermeer bis van Gogh, die niederländischen Meister“. Sie präsentiert auf einzigartige Weise in diesem Jahr die Kunst der Maler aus dem Norden. „Das Malen von Licht und seiner Atmosphäre ist der rote Faden“ heißt es in der Ankündigung. Von Vermeer, Rembrandt, Bloemaert, Avercamp, Vroom bis Steen „entführt die Ausstellung in die faszinierende niederländische Welt“. Und schließlich „führt uns van Gogh unter die Sonne und die Nacht des Südens. Wie ein farbenfroher Schlussstrauß wird der Besucher von einem nächtlichen und traumhaften Gemälde umgeben, um den Halt in den Sternen zu verlieren“.

„Die Sternennacht“ in der Multimedia-Schau in den Carrières des Lumières. Foto: culturespaces

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