Der Hauptsitz von L'Occitane in Manosque.

Ein Tiegel voll Provence

29. Oktober 2022 | 0 Kommentare

Olivier Baussan verwirklichte mit der Gründung von L'Occitane einen Kindheitstraum. Die Naturkosmetik wird ausschließlich in Manosque hergestellt. Die meisten Rohstoffe wachsen gleich vor der Haustür.

Es klingt wie eine Seifenoper: Der kleine Olivier erkundet nach Rosmarin duftende Wälder, streicht über blau blühende Lavendelfelder, lässt sich vom Anblick des roten Klatschmohns und der gelben Sonnenblumen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Diese Eindrücke setzen sich tief in seinem Unterbewusstsein fest. Schon als Kind entwickelt er eine hohe Sensibilität für seine Heimat. Als junger Mann beschließt er, dass er diese Erfahrung für spätere Generationen bewahren will. Er kauft 1976 eine alte Seifenfabrik und gründet L’Occitane. Aus dem Traum beginnt, Wirklichkeit zu werden. Olivier Baussan setzt auf Nachhaltigkeit und die Pflanzen der Provence. Die Rechnung geht bis heute auf.

Der Duft des Lavendels habe ihn von Kindheit an Tag für Tag in seiner provenzalischen Heimat begleitet, wird Olivier Baussan zitiert, wenn der inzwischen 70-Jährige nach seiner Passion, Naturkosmetik herzustellen, gefragt wird. Er ist in der Haute-Provence in Manosque aufgewachsen, dem Sitz der Firma. Heute lebt er im wenigen Kilometer entfernten Forcalquier. Baussan studierte an der berühmten Universität in Aix-en-Provence Literatur.

Mit Rosmarinöl begann die Produktion

Doch nach dem Abschluss mit 23 Jahren widmete er sich wieder ganz der Natur seiner Heimat. Er vertiefte sein Wissen über die Pflanzen der Provence und begann sie zu verarbeiten. Er kaufte ein gebrauchtes Destilliergerät und stellte zunächst Rosmarinöl her. Mit der Produktion rein pflanzlicher Seifen war schließlich der Grundstein für das heute weltbekannte und börsennotierte Unternehmen gelegt, das längst die gesamte Palette kosmetischer Produkte bis hin zu teuren Parfüms abdeckt. Die Seifen waren vor allem bei Besuchern der Provence sehr beliebt und fanden durch die Reiselust der Menschen schnell den Weg in andere Länder.

Blühende Lavendelfelder in der Hochprovence.

Produziert wird ausschließlich in Manosque. Von dort werden Cremes, Gels, Shampoos, Düfte, Seifen und Co. in die USA, nach Asien, die Arabischen Emirate und ganz Europa verschickt. Die Rohstoffe – bis auf die Shea Butter, die aus Burkina Faso importiert wird, kommen aus Frankreich. Die Immortelle, die im Mittelmeerraum verbreitete gelbe Strohblume, wird auf der Insel Korsika geerntet. Alle anderen Pflanzen wie Lavendel, Rosmarin, Mandeln und Rosen gedeihen quasi vor der Haustür. Das Gebiet erstreckt sich von Valence bis hinunter zum Mittelmeer und nach Osten bis Sisteron, Grasse und Nizza.

Wirtschaftliche Risiken und Ernteausfälle

L’Occitane und sein Gründer verkaufen mit jedem Produkt ein Stück Provence: das Land der Düfte und Farben, des ewig blauen Himmels, des Windes und der Sonne. Doch die regionale Produktion birgt auch wirtschaftliche Risiken. Ernteausfälle können nicht so ohne weiteres kompensiert werden. Fehlen Rohstoffe, so wir ein Produkt kurzfristig aus dem Programm genommen. So gab es vor wenigen Jahren hohe Verluste beim Lavendel, der von einem Bakterium befallen war. Dieses Problem haben die provenzalischen Produzenten zwar weitgehend gelöst, dafür aber lohnt der Anbau immer weniger, denn die Preise sind im Keller. Grund: In Osteuropa, vor allem Bulgarien, wird der Lavendel im großen Mengen angebaut und deutlich billiger verkauft. Französische Landwirte reduzieren deshalb den Lavendelanbau. Fazit: Globalisierung überholt Nachhaltigkeit.

Rosen, in vielen Parfüms unverzichtbar.

Wir besuchen die Fabrik im Gewerbegebiet von Manosque, das so gar nichts mit der romantischen Vorstellung von der Provence gemein hat. Gleich neben dem Parkplatz donnern die Lastwagen über die Autobahn 51, die mitten durch die Hochprovence führt. Selbst der kleine mediterrane Garten vor dem Besuchereingang lässt keine Urlaubsgefühle mehr aufkommen. Und wer jetzt noch hofft, das Transporter beladen mit frisch geerntetem Lavendel oder Rosenblättern vorfahren, ist enttäuscht. „Eine spannende Besichtigung mit sinnlichen Erlebnissen“ wird uns versprochen. Beides bleibt am Ende auf der Strecke.

Eine hochtechnisierte und sterile Arbeitswelt

Wir werden durch blitzsaubere Gänge geführt. Die einzige Halle, die wir auf einer Galerie betreten dürfen, ist die, in der riesige Container mit den bereits vorbereiteten Rohstoffen – wie ätherische Öle – ankommen. Hier findet keine Blüte, kein Lavendelzweig Einlass. In alle anderen Hallen – Zubereitung, Abfüllung, Verpackung, Versand – dürfen wir nur durch Glasfenster schauen. Dahinter arbeiten wenige Menschen, alle in steriler Kleidung wie bei einer OP. Diese Reinräume dürfen die Mitarbeiter ausschließlich durch Desinfektionsschleusen betreten. Die Prozesse laufen vollautomatisch in drei Schichten ab, auch an Wochenenden. Und Oliviers Kindheitserinnerungen? Hier sind sie nun vollends schöne Erinnerung. Der Firmengründer hat sich längst aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, arbeitet aber weiterhin an der Verbesserung und Entwicklung der Kosmetika

Oliven sind ein wertvoller Rohstoff für die Kosmetik.

Und dennoch bleibt L’Occitane seiner Philosophie treu. Die hochtechnisierte, in Teilen keimfreie Stätte verlassen Naturprodukte, die durch Verpackung und Duft ihre Herkunft aus der Provence nicht leugnen können, ja dürfen. Der Firmenname trägt sein Übriges dazu bei: Die Okzitanierin, die Frau aus Okzitanien, der Region mit der Hauptstadt Toulouse, die im Osten ans Mittelmeer und die Provence grenzt. Und dann ist sie doch wieder da: die Vorstellung von der idyllischen Provence mit ihren unendlichen Lavendelfeldern, dem „Blauen Gold“.

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