
Paul Cézanne, 1839 in Aix-en-Provence geboren und 1906 ebenda gestorben, lebte ein unspektakuläres und bürgerliches Leben. Sein künstlerisches Werk fand – wie bei vielen anderen Malern auch – erst posthum die jetzt bedeutende und große Anerkennung. Mehr als 130 seiner Gemälde und Zeichnungen, die ganz unterschiedlichen Stilrichtungen zuzuordnen sind, können im Musée Granet bis zum 12. Oktober bewundert werden. Dieser Besuch lohnt nicht allein wegen der Bilder, sondern ist zugleich auch der Ausgangspunkt für einen umfangreichen Spaziergang durch die Biographie des Künstlers. Sowohl was seine Schaffensperioden als auch sein Leben in und um Aix betrifft.
So war das Musée Granet der Ort, an dem Cézanne ab 1859 an der École de dessin in Abendkursen seiner Leidenschaft, dem Malen und Zeichnen, nachging. Die Bilder lassen den Betrachter die Welt des Künstlers mit dessen Augen sehen: romantische Landschaften, Porträts der Familie und von Freunden, die Badenden, die Montagne Sainte-Victoire bis hin zu einem seiner berühmtesten Werke Die Kartenspieler, ausgeliehen vom Musée d’Orsay in Paris. Cézanne, der Wegbereiter der Klassischen Moderne, erfand eine neue Bildsprache, indem er den Raum durch harmonische Änderung der Farbtöne darstellte. Nach seinem Tod orientierten sich u.a. Pablo Picasso, Henri Matisse und Georges Braques an seinem Werk.
Ein Leben ohne Skandale
Paul Cézanne, Sohn des Huthändlers und späteren wohlhabenden Bankiers Louis-Auguste und seiner Frau Anne Elisabeth wurde im Haus an der Rue de l’Opera 28 geboren. Wenn es einen Skandal in Cézannes Leben gab, dann bestenfalls die Tatsache, dass seine Eltern erst nach seiner und der Geburt seiner Schwester Marie 1844 geheiratet haben. Die jüngste Schwester Rose kam 1854 zur Welt. Zusammen mit Stadtführerin Catherine begeben wir uns in der wunderschönen Altstadt von Aix auf die Spuren des Malers, der ab 1852 am Collège Bourbon (heute Lycée Mignet) Freundschaft mit dem späteren Schriftsteller Émile Zola und dem späteren Ingenieur Jean-Baptistin Baille Freundschaft schloss. Viele Jahre waren die Drei unzertrennlich. Obwohl Paul unter der Autorität des Vater litt, setzte er doch seinen Willen durch. So begann er zwar in Aix auf Geheiß des Vaters ein Jurastudium, weil er das von ihm gegründete Bankhaus Cezanne & Cabassol übernehmen sollte, brach es aber ab. Cézanne widmete sich lieber dem Malen und dem Schreiben von Gedichten. 1859, als der Vater außerhalb des Stadtzentrums das heruntergekommene Landhaus Jas de Bouffan kaufte, erlaubte er dem Sohn nicht nur, die Wände zu bemalen, sondern richtete ihm im obersten Geschoss sogar ein Atelier ein.

Überraschung im Landhaus
Jas de Bouffan ist heute im Besitz der Stadt Aix. Eigentlich sollte die aufwändige Renovierung zur Ausstellungseröffnung Cezanne au Jas de Bouffan (im Provenzalischen wird Cezanne ohne Akzent geschrieben) abgeschlossen sein, doch unerwartet freigelegte Wandmalereien von Cézanne machen eine erneute Schließung im Winter erforderlich. Thomas Dretschkow, unser Begleiter vom Office de Tourisme, erklärt: „Die Restauration der Malereien machen das Gebäude sicher noch wertvoller. Ich könnte mir vorstellen, diese interessanten Arbeiten vor den Augen der Besucher durchzuführen.“ Ein zweifellos spannender Aspekt. Das Haus, ein beliebtes Motiv von Cézanne, ist umgeben von einem wunderschönen Park mit großen Bassin und lädt zum Verweilen ein. Der Künstler hat sehr darunter gelitten, dass er es nach dem Tod der Eltern verkaufen musste, weil seine Schwester Rose ihr Erbe ausgezahlt haben wollte.
Die Montagne Sainte-Victoire
Cézanne zog wieder in die Altstadt von Aix in ein Haus an der Rue Boulegon. In den Hügeln von Lauves, oberhalb von Aix, ließ er sein großes Atelier, Atelier Lauves, errichten. Auch, wenn die Renovierung noch nicht abgeschlossen ist, lässt uns das Haus den Geist Cézannes spüren. Dinge, die ihn umgeben haben, finden das Auge des Betrachters: Paletten, Pinsel, Staffeleien.

Die letzte Station unseres Spaziergangs mit Paul Cézanne führt uns an den Stadtrand in die Carrières de Bibémus. Hierhin zog es den Malers fast täglich, um seine Muse, die Montagne Sainte-Victoire, in verschiedensten Perspektiven und Lichteinflüssen zu malen. Er mietet ein kleines Haus, in dem er seine Utensilien unterbrachte. Der Weg von der Stadt hinaus in die Steinbrüche war auch ohne Gepäck noch beschwerlich genug. Für uns ist die geführte Wanderung (zu Buchen im Tourismusbüro, ein privater Zugang ist nicht möglich) durch die einzigartige Natur jetzt im Juli bei fast 40 Grad eine Herausforderung. Die aber lohnt sich. Und am Ende bleibt ein verträumter Blick auf den von Cézanne so geliebten Gebirgszug, wo ihn bei angeschlagener Gesundheit ein heftiges Unwetter überraschte. Freunde brachten ihn zurück in die Stadt, wo er zwei Tage später in seiner Wohnung an einer Lungenentzündung starb.

Cezanne 2025 ist ein wunderschönes Erlebnis – auch für weniger Kunstinteressierte. So viele Bilder ihres berühmten Sohnes wird Aix-en-Provence sobald nicht wieder präsentieren können. „Ab Mitte Oktober hängen dann nur noch zehn kleine Bilder von Paul Cézanne, welche die Stadt besitzt, im Musée Granet“, sagt Thomas Dretschkow etwas traurig. Aber: Es bleiben ja die Wandmalereien im Jas de Bouffan.

Das Landhaus, das Atelier des Lauves und die Steinbrüche sind nicht zu Fuß erreichbar. Der öffentliche Nahverkehr ist gut aufgestellt. Information im Office de Tourisme.
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