Die Sorgue an ihrem Geburtsort: Fontaine-de-Vaucluse.

Die Sorgue – mal ein Rinnsal, mal ein tobender Fluss

10. Dezember 2022 | 0 Kommentare

In Fontaine-de-Vaucluse sprudelt aus einer einzigartigen und geheimnisvollen Quelle die Sorgue aus der Erde. Die tiefe Schlucht inspirierte Dichter und lockt tausende Touristen an. Das Städtchen L'Isle-sur-la-Sorgue nimmt der Fluss in die Arme.

Sie ist nicht bedeutend, aber sehr prominent. Nur einen Katzensprung westlich des berühmten Dorfes Gordes entspringt tief in der Erde die rund 30 Kilometer lange Sorgue in Fontaine-de-Vaucluse. Das Geheimnis ihrer Quelle am Fuße einer 230 Meter senkrecht aufragenden Felswand aus Kalkstein ist bis heute nicht gelüftet. Dieses Mysterium und der romantische, weniger als 600 Einwohner zählende Ort in einem geschlossenen Tal locken jahrein, jahraus tausende Touristen an. Dichter und Schriftsteller wie Francesco Petrarca (1304-1374) und Frédéric Mistral (1830-1914) haben sich von diesem Fleckchen Erde inspirieren lassen.

Der Spaziergang zur Quelle am Ende einer Schlucht beginnt in der Ortsmitte von Fontaine-de-Vaucluse auf der ersten Brücke über der Sorgue. Hier hat sie schon eine stattliche Breite und bei entsprechendem Pegel auch ordentlich Fahrt. Zahlreiche Wasserpflanzen schwingen munter auf und ab, hin und her und verleihen der Sorgue ein grünes Kleid auf dem die Sonne ihr heiteres Spiel mit Reflexionen treibt. Auf dem kreisrunden Hauptplatz fristet die zwanzig Meter hohe Petrarca-Säule unter dem Blätterdach uralter Bäume ein Schattendasein. Sie erinnert an den Dichter der frühen italienischen Literatur, Francesco Petrarca, der sich hier ein Haus kaufte, viele Jahre lebte und bedeutende Werke verfasste. „Als wir zur Quelle kamen erfasste mich die einzigartige Schönheit des Ortes, und ich sagte mir: Das ist ein Ort nach meinem Sinn, …“ wird Petrarca zitiert in „Durch den Süden Frankreichs“ von Manfred Hammes (Nimbus Verlag).

Vallis Clausa, das geschlossene Tal

Der Chemin de la Fontaine führt am rechten Ufer der Sorgue leicht ansteigend 800 Meter bis zur Quelle. Jetzt im frühen Herbst rauscht ihr Wasser schäumend über Kaskaden. Einige Kajakfahrer testen ihr Geschick. Kleine Geschäfte mit typisch provenzalischen Kunst- und Genussprodukten laden ebenso ein wie die hübschen Terrassen-Restaurants direkt am Fluss. Die hohen Felswände rechts und links sorgen im Sommer für angenehme Frische. Im Winter kann es in der Schlucht recht kalt werden. Das geschlossene Tal, Vallis Clausa (daher der Name Vaucluse), wartet mit zahlreichen wunderschönen Fotomotiven auf, besonders wenn die Sonne mit kleinen weißen Wolken um die Vorherrschaft kämpft.

Die Quelle der Sorgue: im Sommer ein felsiges Loch.

Die Quelle der Sorgue ist je nach Jahreszeit und Niederschlag entweder ein kleiner See oder ein trockenes, felsiges Loch. So ist die Sorgue auf ihren ersten Metern manchmal nur ein Rinnsal oder tobend und wild. Die Quelle ist einzigartig, eine Karstquelle mit verzweigtem Höhlensystem. Der unterirdische Wasserhaushalt ist durch Korrosion des Gesteins, Verkarstung, entstanden. Regen- und Schmelzwasser vom Mont Ventoux, den Monts de Vaucluse und der Montagne de Lure, eine Region von insgesamt 1240 Quadratkilometern, speisen die Quelle, die bis zu 22.000 Liter Wasser pro Sekunde ausspucken kann. Der jährliche Wasseraustritt liegt bei 700.000.000 Kubikmetern.

Der Oberlauf der Sorgue in seinem geschlossenen Tal.

Seit 1953 erforscht die Gesellschaft für Höhlenkunde der Fontaine de Vaucluse (SSFV) die Quelle. Mit Unterstützung der Gesellschaft gelang es 1955 Jacques-Yves Cousteau und seinem Team auf 75 Meter hinabzutauchen. 1981 erreichte ein Taucher die Tiefe von 153 Metern. Der Deutsche Jochen Hasenmayer kam 1983 auf 205 Meter, wo der enge Tunnel und der Druck des aufsteigenden Wassers Einhalt geboten. Ein Tauchroboter kam später bis auf 315 Meter hinunter. Aber auch das ist noch nicht der Grund der Quelle, die, weil immer noch unentdeckt, ein Geheimnis ist.

Mistral, Mirèio und der Feigenbaum

Neben Petrarca war besonders auch der provenzalische Dichter Frédéric Mistral von der Schönheit des Tales und der Quelle angetan. Das Lied „Die Klage des Feigenbaums“ aus der Oper Mirèio (Mireille) nach seinem epischen Gedicht, komponiert von Charles Gounod, ist auf die Inspiration dieses Ortes zurückzuführen. Auf dem Weg zur Quelle befindet sich eine Tafel mit den Versen in provenzalischer Sprache zur Erinnerung an den Literatur-Nobelpreisträger von 1904.

„Ich sah den Feigenbaum einst auf meinem Weg, sich an den nackten Felsen klammernd, gegen die Höhle des Vaucluse. So dünn, mein Gott. … Ein Büschel Jasmin würde mehr Schatten spenden.“

L’Isle-sur-la-Sorge – Die Insel im Fluss

Nach nur rund 30 Kilometern mündet die Sorgue bei Bédarrides in der Nähe des berühmten Weinanbaugebietes Châteauneuf-du-Pape in die Ouvèze, die in die Rhône fließt. Vor dem schmucken Städtchen L’Isle-sur-la-Sorgue (20.000 Einwohner) teilt sich der Fluss in den östlichen Arm Sorgue de Velleron und den westlichen Sorgue d’Entraigues. Kurz vor der Mündung in die Ouvèze vereinen sich beide Arme wieder. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sorgue ist eher klein. Ihr Wasser wird zur Stromerzeugung und Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen genutzt. Kanu- und Kajaksportler sowie Angler erfreuen sich an ihr. In Fontaine-de-Vaucluse erinnert eine Papiermühle mit ihrem wunderschönen Wasserrad an längst vergangene Zeiten. Im 19. Jahrhundert gab es rund um L’Isle-sur-la-Sorgue 62 hölzerne Wasserräder zum Antrieb von Korn-, Öl- und Papiermühlen. Heute verschönern noch ein paar die Wasserläufe rund um die Altstadt, eine Insel zwischen den beiden Flussarmen. Zahlreiche Brücken mit schmiedeeisernen Geländern, opulenter Blumenschmuck und hübsche Terrassen-Restaurants laden zum Besuch der ehemaligen Fischerstadt ein. Heute ist der sehenswerte Ort ein renommierter Handelsplatz für Antiquitäten.

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