„La Provence, du blühendes Land … aus Träumen gemacht“ sang die Griechin Nana Mouskouri in den 1980er Jahren. Zugegeben ein ziemlich kitschiger Text, aber ein Lied, das mir immer wieder in den Sinn kommt, wenn ich auf dem Weg nach Südfrankreich bin. Die Provence, das Land des Lichts, das schon die Maler vor 150 Jahren entdeckten, ist für die meisten Reisenden der Inbegriff des Sommers im Süden: stets blauer Himmel, Sonne, Lavendel, Sonnenblumen, Olivenbäume, Kräuter und Düfte, die leichte Brise vom Mittelmeer, romantische Dörfer, Roséwein und Pastis, Lammbraten und fangfrischer Fisch.
Für das alles in den Midi zu fahren und ein paar Gänge zurückzuschalten, ist eine gute Entscheidung. Die Provence aber hat viel mehr zu bieten. Sie erzählt uns eine hochinteressante Geschichte, lässt uns in zahlreichen Museen Vergangenheit und Gegenwart erfahren, ihre so unterschiedlichen Landschaften fordern den Besucher zu Fuß, zu Wasser und auf dem Rad heraus.
Keine Schönfärberei
Der Süden verheimlicht aber auch seine Sorgen und Probleme nicht. Städte können Architektursünden nicht einfach weg zaubern. Marseille und Nizza zum Beispiel bauen an der Zukunft mit U-Bahnen und Radwegenetzen, Städte und Dörfer verbannen Autos aus ihren historischen Kernen, weiträumige Umgehungsstraßen werden angelegt, Promenaden und Fußgängerzonen geschaffen. All das ruft nicht nur Begeisterung hervor. Der boomende Tourismus fördert das Wirtschaftswachstum, belastet aber die Umwelt. Junge Leute verlassen die Dörfer. Das Land bietet kaum Arbeitsplätze. Bauern und Winzer müssen sich gegen Massenproduzenten behaupten. Aber wo gibt es schon ein Land nach Maß?
Engländer erobern die Französische Riviera
Die Region Provence-Alpes-Cote d’Azur im Südosten Frankreichs grenzt im Osten an Italien, im Süden an das Mittelmeer mit den glamourösen Orten Cannes und Nizza, im Westen an die Camargue. Die nördlichste Ausdehnung liegt in den Alpen auf Höhe des legendären Tour-de-France-Ortes Alpe d’Huez (Region Auvergne-Rhone-Alpes). Fährt man von Norden die Autobahn 7 hinunter beginnt die Provence 35 Kilometer hinter Montélimar bei Bollène.
Als Reiseziel wurde die Provence in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von den Engländern entdeckt, die an der Französischen Riviera ihren grauen und feuchten Wintern entkommen wollten. Zählte Nizza 1829 noch 4000 englische Gäste, so waren es 1900 bereits 60.000. An die „englische Eroberung“ erinnert der Name der Strandpromenade, die Promenade des Anglais. Aber auch die Deutschen waren erste Reisende nach Nizza, bevor ab 1856 die Cote d’Azur auch für die Russen interessant wurde, weil die Zarenfamilie dort viele Monate im Jahr verbrachte.
Und spätestens seit der englische Buchautor Peter Mayle (1939-2018) mit seinen humorvollen Geschichten über die Provence sein Millionen-Publikum gefunden hatte, ist „Le Midi“ nicht nur Reiseziel, sondern auch bevorzugter Zweit- oder Alterswohnsitz. Grundstücke und Häuser haben heute aber exorbitant hohe Preise. Landschaften werden zu recht unter Naturschutz gestellt, wodurch Grundstücksspekulation und Neubebauung verhindert werden.
Von Griechen, Römern und Päpsten
600 v. Chr. landeten griechische Seefahrer vor der Mittelmeerküste und entdeckten das natürliche Hafenbecken der späteren Stadt Marseille. Rund 400 Jahre später begann die römische Herrschaft im Süden Frankreichs. Aus dieser Zeit lässt sich der Name „Provence“ ableiten. Er kommt aus dem Lateinischen „provincia“. Rund 600 Jahre war die Provence römische Provinz. Ausgrabungen zum Beispiel bei Saint-Remy-de-Provence (Glanum) und in Orange (Amphitheater) sind Zeugen dieser Epoche. Nach den Römern kamen die West- und Ostgoten, ab 934 gehörte die Provence zum Königreich Burgund, ab 1032 zum Heiligen Römischen Reich. Von 1309 bis 1377 „gastierten“ neun Päpste in Avignon. Danach ließen sich die Stellvertreter Gottes auf Erden wieder in Rom nieder. Das Fürstentum Orange wurde 1713 Frankreich zugeschlagen, die übrige Region ab 1791 im Zuge der Französischen Revolution.
Nizza stimmt für Frankreich
Nizza war lange Zeit Spielball zwischen der Grafschaft Piemont (Italien) und Frankreich. Davon zeugen heute noch die Straßenschilder in französischer und italienischer Sprache. Erst 1860 wurden Nizza und Savoyen aufgrund des Turiner Vertrages nach einer Volksabstimmung Frankreich zugeschlagen. 25.743 Nizzaer stimmten für Frankreich, 160 waren dagegen.
Die neue Webseite von Sylvia Lukassen ist da. Frisch, klar und übersichtlich kommt sie daher. Stimmungsvolle Fotos aus der Provence und einfühlsame Textpassagen bilden eine Einheit. Toller Lesestoff. Fast schon ein Reisebuch.