Jetzt in der Advents- und anschließenden Weihnachtszeit nehmen wir Abschied vom so beliebten Roséwein. Gerne kommt jetzt ein Roter auf den Tisch. Am liebsten mit angenehmer Frische und dem Duft von Johannisbeere und Kirsche. Leicht sollte er sein. So schmecken wir auch im Rotwein den vergangenen Sommer, erinnern uns an ihn, lassen Begegnungen mit vielen lieben Menschen Revue passieren, freuen uns auf den nächsten Sommer und das Wiedersehen. Und dann wird auch wieder ein Rosé in unseren Gläsern funkeln.
Wir sind und bleiben Weintrinker und scheinen, einer aussterbenden Spezies anzugehören. Nicht nur der Rotwein verliert seine Fans. Grundsätzlich geht der Weinabsatz in Frankreich – aber auch in vielen anderen Ländern – zurück. Das liegt nicht an geringeren Ernteerträgen. Wein reift und lagert immer noch ausreichend in Stahltanks, Fässern und Flaschen. Die Franzosen trinken einfach weniger Wein, vor allem die jungen Leute. Die kulturelle Tradition des Weintrinkens nimmt also ab. Ein Stück „typisch französisch“ geht verloren. Aber warum?
Eher ein Bier als ein Glas Wein
Laut dem Ministerium für Ernährung greifen Jüngere öfter zum Bier. Das mag am Preis liegen, denn ein gutes Glas Wein kostet halt deutlich mehr als ein Bier. Ein weiterer Grund ist, dass sich junge Menschen weniger in großer Runde privat oder im Restaurant zum aufwändigen Essen treffen. Der österreichische Weinexperte Willi Klinger sieht ebenfalls ein verändertes Konsumverhalten junger Zielgruppen. Er schreibt auf dem Online-Portal Wineparty: „Wer sich heute genauer mit dem Konsumverhalten junger Leute beschäftigt, und das tun entschieden zu wenige Player in unserer Branche, der wird feststellen, dass wir uns alle zu wenig um den Nachwuchs für unsere Weinkultur kümmern. Die alte Garde der Menschen mit hohem Weinverbrauch stirbt aus. Bier, Aperitivo und bunte Cocktails treffen das Lebensgefühl und die Geschmackswelt eher.“ Richtig missmutig machen Klinger neueste Forschungen: „Wenn man dem Trommelfeuer der Forscher Glauben schenkt, herrscht von nun an Lebensgefahr ab dem ersten Glas Wein! Haben diese Apostel der Askese schon einmal studiert, wie viele schöne Stunden, glückliche Beziehungen, interessante Reisen, herrliche Essen in fröhlicher Runde, tiefgreifende historische, geographische und philosophische Erkenntnisse, ja wie viel große Kunst der Wein in die Welt gesetzt hat?“
Wir halten uns auch lieber an den Ratschlag des deutschen Dichterfürsten und Weinliebhaber Johann Wolfgang von Goethe, der da sagte: Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Gerne zitieren wir auch den französischen Dichter und Lyriker Charles-Pierre Baudelaire: Der Wein ist wie der Mensch, man wird niemals recht wissen, bis zu welchem Grade man ihn schätzen oder verachten, ihn lieben oder hassen kann. Honoré de Balzac und Frédéric Mistral verewigten den Wein ebenfalls in ihren Werken.
Trockene Böden und sinkende Erträge im Midi
Doch wie ist es nun generell um den Wein im Süden Frankreichs bestellt? In der Provence und im Tal der Rhône sind die Ernteerträge um zwölf, im Languedoc-Roussillon um vier Prozent zurückgegangen. Gesamt Frankreich, so das Landwirtschaftsministerium, wird in diesem Jahr 40 bis 43 Millionen Hektoliter Wein produzieren. Das sind 10 bis 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Nach Italien bleibe Frankreich damit auch 2024 nur zweitgrößter Weinproduzent der Welt.
Florian Richter, dem gemeinsam mit seiner Frau in Fontjoncouse im Languedoc die Domaine des Deux Clés gehört, erklärt uns: „Die diesjährige Weinlese zählt in unserer Region sicherlich zu einer der schlechtesten Ernten in Bezug auf die produzierte Menge. Das ist den extremen Wetterbedingungen zuzuschreiben, die sicherlich Auswirkungen des Klimawandels sind. Schlussendlich haben wir eine extrem kleine Ernte von 9,5 Hektoliter pro Hektar. In guten Jahren sind es 25 bis 30 Hektoliter. Die Qualität ist jedoch sehr zufriedenstellend, da es ein spätreifes Jahr war, ohne extrem heiße Temperaturen. Dadurch konnten die Trauben langsamer ausreifen.“ Seit knapp drei Jahren leiden die Böden in dieser Region unter Trockenstress, sind bis in tiefe Schichten ausgetrocknet, so Richter. „Die Hauptniederschlagsmengen kommen meistens in den Wintermonaten runter. Dies blieb jedoch in den vergangenen drei Jahren aus, so dass die Grundwasserspiegel extrem niedrig sind. Bei den Reben sehen wir nach diesen lang anhaltenden Trockenphasen, dass der Wuchs stark zurück geht und dass sehr viel weniger Trauben gebildet werden.“ Auch die Menschen leiden unter der Trockenheit. „Im Nachbardorf Durban Corbières wurde ab August das Wasser von 14 bis 6 Uhr abgestellt, weil der Grundwasserspiegel zu niedrig war, um den Ort kontinuierlich mit Leitungswasser zu versorgen“, erzählt Florian Richter.
Den Blick nach vorn gerichtet
Der Weinanbau in Frankreich und anderen Ländern steht vor besonderen Herausforderungen: Konsumrückgang und Klimawandel. Für die Winzer kann es schwierig werden. Denn geringere Erträge durch die unterschiedlichen Auswirkungen des Klimawandels führen zu höheren Preisen. Die belasten die Nachfrage, aktuell besonders beim Rotwein. „Die Gründe für den Rückgang des Rotweinkonsums sind sehr komplex, aber doch recht einfach nachzuvollziehen“, sagt Florian Richter mit Verweis auf Willi Klinger. Auf der Domaine des Deux Clés liegt der Schwerpunkt mit 65 Prozent beim Rotwein. 25 Prozent entfallen auf Weiß- und zehn Prozent auf Roséwein. „Wir pflanzen schon verstärkt weiße Rebsorten an. Das hat aber nicht unbedingt mit der geringeren Nachfrage nach Rotwein zu tun. Eher damit, dass wir generell zu wenig Weißwein produzieren.“ Das junge Winzer-Ehepaar Richter blickt trotz der schwierigen Zeiten optimistisch und lösungsorientiert in die Zukunft. Die französische Weinkultur ist sicher noch kein Auslaufmodell.
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