Die Côte d’Azur steht nach wie vor für Luxus und teure Reisevergnügen, auch wenn sie heute Dank erschwinglicher Hotelzimmer, Ferienwohnungen und Campingplätze für viele Menschen erreichbar ist. Doch eine gewisse Dekadenz ist geblieben: Davon zeugen meterlange Luxusyachten, Champagner-Partys an den Stränden von St. Tropez, Hotellegenden wie das Negresco in Nizza und stark überhöhte Preise im Hochsommer. Die meisten Reisenden aber kommen wegen der atemberaubenden Küste, den großen und kleinen Orten, die vielfach ihren alten Charme bewahrt haben, und wollen die Leichtigkeit des Sommers und das Savoir-vivre genießen. Voìla!
So wie einst in den 1920er Jahren das amerikanische Ehepaar Francis Scott und Zelda Fitzgerald. 1924 reiste es mit der kleinen Tochter Scottie an die Französische Riviera. Der starke Dollar gestattete ein angenehmes Leben. Partys und Alkohol standen auf der Tagesordnung. Scott schrieb an seinem wohl bekanntesten Roman: Der große Gatsby. Dessen Protagonist lebt in einer überdimensionierten Villa auf Long Island in Saus und Braus und stetiger Champagner-Laune. Ähnlich wie seinerzeit die Fitzgeralds in dem kleinen Ort Juan-les-Pins auf der Halbinsel Cap d’Antibes. Dort hatten sie die Villa „Saint Louis“ angemietet, die 1929 zu einem Hotel umgebaut wurde: das Belles Rives. Von der Terrasse der Piano Bar Fitzgerald aus genießt man einen herrlichen Blick auf das azurblaue Meer.
Das Leben der Fitzgeralds an der Côte d’Azur und die Entstehung des „Großen Gatsby“ erzählt Joséphine Nicolas in ihrem Roman „Tage mit Gatsby“ (DuMont Verlag). Und sie weckt Sehnsucht nach leichter Sommerbrise und Tage am Strand.
Francoise Sagan (1935-2004) verortet „Bonjour Tristesse“ in einer traumhaften Villa an der Küste bei Cannes. Die in der Schule gescheiterte Cécile verbringt mit ihrem Vater und dessen Freundin den Sommer dort, genießt den Luxus und das Liebesleben. Alles endet in einer Katastrophe. Sagan vermittelt uns in dem 1954 erschienenen Roman trotz der familiären Tragödie ein wunderbares Sommergefühl und die Lust auf Sand und Salzwasser.
In den Midi zog es auch den belgischen Schriftsteller Georges Simenon (1903-1989), der vor allem durch seine Kommissar-Maigret-Reihe berühmt geworden ist. Zunächst aber begleiten wir ihn ebenfalls in die Nähe des mondänen Cannes, wo sein Roman „Sonntag“ spielt. Dort leitet Berthe eine geerbte und gut gehende Pension, heiratet den Koch Emile, der sich in das Hausmädchen Ada verliebt (Kampa Verlag). Das Ende: überraschend. Simenon bringt uns den Sommer an der französischen Mittelmeerküste in den Alltag. „Sie ging in die Küche mit den roten Fliesen, drehte den großen Schlüssel der Glastür, um die Läden zu öffnen, sah den klaren blauen Himmel, die beiden krummen Olivenbäume, die Pinien jenseits der Terrasse und in einem Einschnitt zwischen den Bergen glitzernd ein Stück vom Hafen bei La Napoule“, schreibt Georges Simenon.
Der Belgier nimmt uns auch mit auf die Île Porquerolles, die er 1926 erstmals besuchte, um sich von seiner schriftstellerischen Arbeit zu erholen. Er verliebte sich in die Insel und kam immer wieder. In seinen Romanen spielt sie öfter eine Rolle, wie in „Mein Freund Maigret“, der 31. von 75 Fällen. Porquerolles gehört zu den Îles d’Hyères, die vor Toulon liegen und nach kurzer Überfahrt von mehreren Häfen aus zu erreichen ist. Die Insel ist nur 7,5 Kilometer lang und drei Kilometer breit, hat schöne Sandstrände, einen kleinen Hafen und zählt nur wenige hundert Einwohner. Im Sommer kommen ungleich mehr Touristen.
Ans Meer geht es auch in „Ein letzter Sommer in Méjean“ von Cay Rademacher (DuMont). In dem Fischerdorf westlich von Marseille verbringen sechs Freunde nach bestandenem Abitur ihre Sommerferien, bevor es sie beruflich auseinander treibt. Einer aber bleibt tot zurück. 30 Jahre später treffen sich die Verbliebenen in Méjean wieder. Ein anonymer Briefe-Schreiber hat sie quasi dazu gezwungen. Das Verbrechen soll endlich aufgeklärt werden. Auch wenn in diesem Kriminalstück die menschlichen Abgründe die Szenerie beherrschen, so weckt Cay Rademacher das Interesse, einen etwas anderen Strand am französischen Mittelmeer kennen zu lernen.
Und wer genug vom Meeresrauschen hat, der begibt sich am besten mit Noelle Châtelet in ein altes Haus in der Provence. „Das Sonnenblumenmädchen“, die kleine Mathilde, reist im Zug mit ihrer Mutter zum ersten Mal in die Provence. Dort lernt sie nicht nur die wunderbare Natur kennen – die Sonnenblumen, den Lavendel, die Aprikosen, die Kräuter, die Zikaden – sondern auch Remi. Und sie verliebt sich in den Jungen mit der Zahnlücke. (erschienen bei KiWi).
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