Cannes oder Nizza? Diese Frage stellt sich nicht. Denn beide Städte sind so unterschiedlich wie Winter und Sommer. Die eine ist auch nicht schöner als die andere. Sie sind eben ganz anders. Das liegt natürlich auch daran, dass Nizza mit 340.000 Einwohnern – in der Metropolregion leben rund eine Million Menschen – gegenüber Cannes mit 72.000 eine große Stadt ist. Wer an die Côte d’Azur reist, besucht zumeist beide Städte.
Mit Cannes verbinden die meisten Touristen das internationale Filmfestival, eines der wichtigsten und bedeutendsten auf der Welt. Seit 1946 wird „Le Festival de Cannes“ veranstaltet, seit 1968 jeweils im Mai. 1948 und 1950 fiel der Wettbewerb wegen Geldmangels und 2021 wegen der Covid-Pandemie aus. Initiator war Jean Zay, 1936 bis 1939 Minister für Bildung und Schöne Künste. Große Leinwand-Stars, Filmemacher, Regisseure und Produzenten machen Cannes in jedem Mai zur größten Bühne der Welt. Der rote Teppich auf den Stufen des Festspielhauses, dem Palais des Festival et des Congrès, ist legendär. Das Gedränge ist allerdings außerhalb des Festivals deutlich dichter. Denn viele Besucher, zumeist weibliche, wollen einen Schnappschuss von sich auf dieser berühmten Treppe. Da braucht es schon etwas Geduld, die richtige Position mit ein wenig Freiraum um sich herum zu finden. Dieses Treppen-Schauspiel zu beobachten, ist zuweilen ganz amüsant.
Hübsch verpacktes Baustellen-Flair
Vom Schauplatz der Film-Industrie geht es auf den nicht minder berühmten Boulevard de la Croisette, kurz Croisette genannt. Die knapp drei Kilometer lange Prachtstraße erfährt gerade ein Facelifting. Die Strandpromenade soll neuen Glanz und Eleganz erhalten, grüner werden, Fußgängern und Radfahrern Vorrang einräumen. In mehreren Bauphasen wird das Projekt, das die Stadt zusammen mit dem norwegischen Architekturbüro Snohetta realisiert, bis 2028 abgeschlossen sein. Bis dahin ist die Croisette also mehr oder weniger eine Großbaustelle mit zahlreichen Unannehmlichkeiten für Autofahrer und Fußgänger. Immerhin hatte Cannes eine gute Idee, das wenig interessante Baustellen-Flair hübsch zu verpacken. Auf allen Bauzäunen kleben großformatige Fotos mit bekannten Persönlichkeiten der Filmbranche von damals und heute sowie den illustren Gästen der Nobelherbergen wie dem Carlton, Majestic und Martinez. Und die Geschichte der Hotels kann, wer Lust hat, auch noch nachlesen. So macht der Spaziergang auf der Croisette doch noch Spaß: mit dem blauen Meer auf der einen Seite und auf der anderen den prachtvollen Gebäuden der Belle Époque, hinter deren Fassaden Luxusunterkünfte, teure Restaurants, Casinos und Edelboutiquen auf zahlungskräftige Kundschaft warten. Die Strände, les plages, längs der Croisette sind vielleicht ein bisschen eleganter als die in Nizza, ein bisschen teurer auf jeden Fall. Doch wer nach Cannes reist, weiß das.
Alter Hafen und historisches Viertel
An sich ist der Vieux-Port de Cannes ja ganz nett anzusehen, wenn die zahlreichen teuren Yachten auf ihren Liegeplätzen in der leichten Sommerbrise dümpeln. Der Blick auf den Hafen bleibt allerdings oft verwehrt, wenn Messen und Veranstaltungen stattfinden, was nicht wenige sind. Mobile Wände lassen dann einen flüchtigen Blick hinter die Kulissen nicht zu. Also rüber auf die andere Straßenseite und das bunte Treiben auf dem mit viel Grün und Wasserspielen neugestalteten Platz vor dem Hôtel de Ville, dem Rathaus, genießen. Im Westen erhebt sich der Hügel Suquet, mit dem historischen Viertel von Cannes. Der Aufstieg durch die schmalen Straßen ist etwas mühsam. Doch vom Place de la Castre vor dem gleichnamigen Château und der alten Steinkirche Église Notre-Dame d’Espérance entschädigt die Panoramasicht auf den alten Hafen und über Cannes. Hinter dem Rathaus befindet sich die Markthalle Marché Forville. Obst und Gemüse aus der Region, fangfrischer Fisch und Meeresfrüchte, Käse und Gebäck mischen sich zu einem Potpourri der Aromen, parfümiert mit den Düften frischer Blumen.
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