„Wenn ich recherchiere und schreibe, dann ist das wie eine Reise durch die Provence, deren Ende ich noch nicht kenne“, sagt Cay Rademacher, der gerne durch die schöne Landschaft des Midi wandert, um Schauplätze für seine Krimis zu entdecken. „Ich gehe durch den Wald und stehe plötzlich vor einer halb verfallenen Kapelle. Die Fresken sind völlig verwaschen, das Mauerwerk außen mit Farbe verschmiert. Ich frage mich, wer diese Kapelle mitten im Wald gebaut hat.“ Diese Momentaufnahme spielt auch eine Rolle im neuen Provence-Krimi „Stille Sainte-Victoire“.
Capitaine Roger Blanc löst seinen zehnten Fall. Er steht vor einem auf bizarre Weise getöteten Mann im Schatten des berühmten Berges Sainte-Victoire: Roland Dallest, Bauingenieur aus Lyon, sollte die Statik eines Staudamms untersuchen. Für seinen Tod scheint niemand ein Motiv zu haben. Aber Blanc findet heraus, dass dessen Zwillingsbruder Christian ebenfalls in der Nähe arbeitet: ein berühmter Paläontologe, der Dinosaurierknochen an der Sainte-Victoire entdeckt. Liegt ein schrecklicher Irrtum vor? Wollte der Mörder eigentlich den Wissenschaftler töten? Blanc stößt auf viele Geheimnisse – und die Lösung.
Sainte-Victoire einmal ohne Paul Cézanne
Die Montagne Sainte-Victoire, der imposante Gebirgszug bei Aix-en-Provence, ist Schauplatz des neuen Frankreich-Krimis von Cay Rademacher, der mit seiner Familie ganz in der Nähe, in Salon-de-Provence, lebt. „Der Berg ist die Ikone der Provence und der Kunst, hunderte Male von Cézanne gemalt“, erzählt Rademacher, der in seinem Roman aber keinen Zusammenhang mit dem weltberühmten Maler und dessen Werk herstellt. Mit einer Ausnahme: der Lac Zola. Der Stausee bei Le Tholonet ist nach dem Schriftsteller Émile Zola, einem Jugendfreund Paul Cézannes, benannt. Bei seinen Recherchen entdeckte Rademacher, dass es im Bereich des Sainte-Victoire Dinosaurierfunde gibt. Das hat ihn fasziniert, und so spielen in „Stille Sainte-Victoire“ die Machenschaften der Paläontologen, die sich einen gnadenlosen Wettkampf um Fossilien, Geld und Ruhm liefern, eine wesentliche Rolle.
Cay Rademacher wird seine Krimireihe um Capitaine Roger Blanc fortsetzen und verrät, dass der elfte Fall bereits so gut wie abgeschlossen ist. „Mir gehen weder die Kriminalfälle noch die Orte aus. Ich habe noch eine lange To-do-Liste. Der in Flensburg geborene deutsche Journalist, der neben weiteren Romanen wie „Ein letzter Sommer in Méjean“ und „Die Passage nach Maskat“ ebenso spannende historische Sachbücher schreibt, betrachtet sich auch als Chronist. „Ich sehe die Provence ständig unter neuen Gesichtspunkten. Meine Protagonisten entwickeln sich weiter. Und ich schaue ein bisschen von außen, auf das, was aktuell in Frankreich passiert.“ Rademachers Bücher sind Lesestoff mit Anspruch. „Stille Sainte-Victoire“ (Dumont).
Monsieur Lipaire und sein unverbesserliches Gefolge
Mit einem Schmunzeln lockt das Erfolgsduo Volker Klüpfel und Michael Kobr die Südfrankreich-Fans wieder direkt an die Côte d’Azur ins Lagunenstädtchen Port Grimaud unweit von Saint-Tropez. Der charmante Monsieur Guillaume Lipaire, eigentlich Wilhelm Liebherr, Verwalter zahlreicher Ferienunterkünfte, die er gerne auch ohne Wissen des Eigentümers vermietet, kann seine Gaunereien einfach nicht lassen. Nachdem er seinen „großen Coup“ im vergangenen Jahr nicht so wirklich landen konnte, plant er nun mit seiner unverbesserlichen Truppe die Revanche. Dabei treten Monsieur Lipaire und sein Gefolge mal wieder von einem Fettnäpfchen ins nächste.
Eigentlich könnte man das Savoir-vivre unter südlicher Sonne genießen. Doch der Lieblingsfeind von Monsieur Lipaire und seiner Truppe, die Familie Vicomte, holt zum nächsten Schlag aus. Die Adelsdynastie will Port Grimaud komplett unter ihre Herrschaft bringen. Das missfällt auch dem Bürgermeister. Also müssen Lipaire und Co. Mal wieder ran, um die Blaublütigen aufzuhalten.
Volker Klüpfel und Michael Kobr nehmen die Leser einmal mehr mit auf die Reise nach Port Grimaud mit seiner malerischen Altstadt etwas oberhalb der Küste und dem idyllischen Hafen in der Bucht von Saint-Tropez. „Die Unverbesserlichen – Die Revanche des Monsieur Lipaire“ (Ullstein).
Johanna Huda bringt frischen Wind ins Languedoc
Wachablösung im Languedoc: In „Die Ibisse von Montagnac“, ihrem inzwischen siebten Roman, gönnt die Gelsenkirchener Autorin Johanna Huda dem vertrauten Ermittler Capitaine Joseph Leroux den wohlverdienten Urlaub. Seine Stellvertreterin Lieutenant Catherine Rozier und ihr Kollege Brigadier Arnaud Pinel hoffen auf ein paar ruhige Tage im brüllend heißen Hochsommer, wollen im Dienst die Seele baumeln lassen. Aber natürlich kommt alles ganz ander
Johanna Huda bedient gewohnt souverän die Erwartungen ihrer Leser, die den Midi genauso lieben wie sie selbst, und bringt durch die coole Catherine Rozier sogar frischen Wind in die Krimi-Routine im tiefen Süden Frankreichs. Gleich am zweiten Tag der Vertretung wird die Leiche eines Jugendlichen entdeckt. Seine Identität: unbekannt. Hatte er Feinde? Die Ermittlung verläuft zäh. Immer wenn eine heiße Spur auftaucht, verflüchtigt sie sich wieder. Der Vergleich mit den Ibissen auf den Feldern von Montagnac liegt deshalb nahe. Auch sie fliegen bei kleinsten Bewegungen davon. Aber natürlich gelingt der späte Durchbruch.
Für die bekennende Frankreich-Liebhaberin Johanna Huda ist auch ihr siebter Roman ein Heimspiel, denn im Languedoc kennt sie sich bestens aus. Die Region westlich des Rhône-Deltas, weltberühmt für gute Weine, ist weniger angesagt als Saint-Tropez oder Nizza, dafür aber authentischer, robuster und direkter. Die mit vielen Details ausgestatteten „Ibisse von Montagnac“ sind wie die Vorgänger im Süden Frankreichs und in ihrem verwunschenen Garten in Gelsenkirchen-Buer entstanden – eine Quelle der Inspiration, an der sich der ständig wachsende Leserkreis gerne erfrischt. Rolf Kiesendahl
„Die Ibisse von Montagnac“, erschienen im Oldib-Verlag
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